Mansfeld-Südharz (Sangerhausen), Sachsen-Anhalt, Deutschland


Hintergrund

Die Fallstudie um den Landkreis Mansfeld-Südharz, in welcher “regulate” inter- und transdisziplinäre Forschung betreibt, liegt im südlichen Teil des Bundeslandes Sachsen-Anhalt. Vor kurzem wurde in diesem Landkreis die Stadt Sangerhausen an ein Fernwassernetzwerk zur Trinkwasserversorgung angeschlossen. Mansfeld-Südharz liegt im Lee des Harzes, wodurch dort ein eher halbtrockenes, niederschlagsarmes Klima herrscht (Hattermann et al. 2011). Dennoch ist aufgrund der ertragreichen Lössböden in der Region eine intensive Landwirtschaft möglich.

Der Grund für die Umstellung von der Nutzung von lokalen Grundwasserressourcen hin zur Fernwasserversorgung, war die Verschlechterung der Grundwasserqualität durch anthropogene Aktivitäten (Nitrat) (Hahn et al. 2020), geogene Quellen (Uran) (Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt) sowie anhaltende Trockenheit . Diese Entscheidung kann als gemeinsame Strategie der Kommunen in Sachsen-Anhalt angesehen werden, um die lokalen Grundwasserprobleme (Qualität, Quantität, Betriebskosten) zu umgehen. Infolgedessen wird das Trinkwasser nun aus einer Talsperre im Harz (Rappbode-Talsperre) bezogen (Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt). Dies impliziert eine Verlagerung des lokalen Grundwasserschutzes (z.B. Aufhebung von Wasserschutzgebieten), mit möglichen negativen Auswirkungen auf die Grundwasserqualität in der Region. Die oben genannten Herausforderungen führen zu Diskussionen über qualitative, quantitative und institutionelle Auswirkungen des Wassertransfers zwischen den Einzugsgebieten und über eine zukünftige und nachhaltige Grundwasserbewirtschaftung im Allgemeinen. Aus diesem Grund erforscht ”regulate” die Komplexität des (Grund-)Wassermanagements und die damit verbundenen Aushandlungen zwischen verschiedenen Stakeholdern in Mansfeld-Südharz und dem Harz.


Zielsetzung

Die oben genannten komplexen Zusammenhänge können nicht allein aus der Wissenschaft heraus erforscht werden. Unser Ziel in Mansfeld-Südharz/Sangerhausen ist es daher, langfristige, nachhaltige und integrierte Empfehlungen für das Grundwassermanagement zu entwickeln, welche in einem kollaborativen Prozess mit lokalen (Grund)Wasser-Akteuren erarbeitet wurden. Schlüsselfragen für den Forschungsprozess sind:

  • Wie beeinflussen die Bedürfnisse der verschiedenen Interessengruppen das Verhältnis zwischen Grundwasserqualität und -quantität?
  • Welche Herausforderungen ergeben sich daraus für die Anpassung an den Klimawandel und wie können diese bewältigt werden?

Die Betrachtung einer nachhaltigen Grundwasserbewirtschaftung mittels des Telekopplungs-Konzept erweitert den Blickwinkel auf die relevanten Prozesse. Unter diesem Aspekt definieren wir das physische Wasser, welches über das Fernwassernetz „geliefert“ wird, als den Fluss, der das „Receiving-System“ des Landkreises Mansfeld-Südharz mit dem „Sending-System“ des Harzes verbindet. Die Erkenntnisse über Dynamiken (Machtverhältnisse, Konflikte, Alltagspraktiken, Institutionen) werden als Vorschläge für eine gezielte Gestaltung adaptiver Governance-Ansätze eingebracht. Gemeinsam mit Akteuren auf EU-Ebene werden unsere Ergebnisse diskutiert, um Telekopplungen bei der Gestaltung der EU-Grundwasserpolitik nach Auslaufen der EU-Wasserrahmenrichtlinie im Jahr 2027, zu integrieren.


Forschungsfragen

Telekopplung

  • Einblicke in das Konzept der Telekopplungen unter Betrachtung der physischen Wasserströme des Fernwassernetzwerks
  • Regulierungsstrategien für den Umgang mit unerwarteten Veränderungen in Wasserbedarf und Wasserverfügbarkeit und die Berücksichtigung von Unsicherheiten bei der Entscheidungsfindung

Qualität (Grundwasserökologie)

  • Wie können anwendbare und zuverlässige ökologische Indikatoren für die Grundwasserfauna entwickelt werden?
  • Wie kann die Untersuchung der Grundwasserfauna dazu beitragen, die Beeinträchtigung der Grundwasserqualität durch anthropogene Stressoren zu bewerten?
  • Wie wirken sich landwirtschaftliche Praktiken und die damit verbundenen Einträge (z.B. Nitrat, Biozide etc.) auf die Grundwasserfauna aus?

Quantität (Soziale-Hydrologie)

  • Wie wirkt sich der Klimawandel in Zukunft auf Grundwasserressourcen aus?
  • Welche Rolle spielt Unsicherheit bei der Entwicklung von Maßnahmen für ein nachhaltiges Grundwassermanagement?
  • Wie können unterschiedliche Formen von Wissen in Grundwassermanagement integriert werden?

Konflikte (Politische Ökologie)

  • Welche Konflikte entstehen zwischen lokalen Akteuren durch den Bezug des Trinkwassers aus der Fernwasserversorgung?

Institutionen (Europäische Ethnologie)

  • Wie wird Wasser durch soziale Praktiken zu Trinkwasser?
  • Wie und in welchen Momenten wurden und werden verschiedene Materialitäten relevant (gemacht)?
  • Wie wird über Grundwasser und über Nachhaltigkeit gesprochen?
  • Wer arbeitet wie zusammen um welche Verständnisse von nachhaltigem Grundwassermanagement umzusetzen?
  • Wie werden in diesem Kontext Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verhandelt?